Donnerstag, 25. Mai 2006. Amadeus. Der österreichische Musikpreis, oder – wie der ORF-Trailer die Tage davor ankündigt: „Der Top-Event der österreichischen Musikindustrie“. Aha und ja, eh- und wenn dem so ist: bezeichnend. Als einer von 400 „wichtigsten“ Repräsentanten (und -onkeln, *tschuldigung*) dieser „Industrie“ war ich also dazu eingeladen, mich an Kollegen, einer Show, einem Riesenbuffet und einem noch größeren Saufgelage zu ergötzen.

Die Nominierten, die Gewinner, die Gäste – zusammengefasst „die üblichen Verdächtigen“ malen ein tristes Bild. Frau Stürmer ist Künstlerin des Jahres, ihr Preis-Abo wird sich mangels einer vorhandenen Dichte an nennenswerter Konkurrenz (weibliche musikproduzierende Menschen) automatisch verlängern, wenn sie nicht bis ein Monat vor der nächsten Einreichfrist von selbst kündigt. Ihre Schuld ist das ja mit Sicherheit nicht.

Die FM4-Gewinner Iriepathie: Schauen nett aus und klingen auch ganz ok. Aber warum zum Geier sind die sogar an mir so dermaßen spurlos vorübergegangen, dass es mir unerklärlich erscheint warum gerade sie den „Publikumspreis“ gewinnen? Naja, jedenfalls trotz fader Siegesrede (die FM4-Sieger waren da bislang immer die positive Ausnahme, heuer nicht) ein positiver Moment dieses Abends. So wie Andi Knoll, auch wenn er es notwendig empfand, nackt aufzutreten und sein Esprit und seine Witzigkeit gegenüber dem Vorjahr ein bisschen nachgelassen hat. Ich find ihn verdammt ok. Wie auch seine ironische Meldung über die internationalen Stargäste „zum Beispiel aus Deutschland: Christina Stürmer“. Die war gleich beleidigt und hat das so ausgedrückt, das man fast glauben hätte können, sie käme aus Deutschland. Kann man der Dame prinzipielles Talent und „Zeitgeist“-Wiederspiegelung im popkulturellen Sinne schon nicht verwehren (so schauen junge Mainstream-Menschen heute aus, so sprechen sie, so bewegen sie sich, sowas tragen sie – ja, so ist es leider wirklich!): Ihre furchtbar angepasste verpiefkeneste Gesangs- und Sprechstimme verschafft mir eine handfeste Allergie. Uargh. In diesem Falle und trotz Respekt vor österreichischem Erfolg jenseits der Grenzen: Deutschland den Deutschen, bitte. Du musst ja net gleich gschert singen, Christl – das nämlich kann auch nach hinten los gehen, siehe Manuel Ortega: Eine veroberösterreichischte Version von „I Promised Myself“? Das kann ja nicht sein Ernst sein… ob nicht doch tanzen seine wahre Berufung ist? Und Papermoon: Eine deutsche Fassung von „Tell me a Poem“? Wie bitte?

Tokio Hotel? War jedem superwurscht ausser dem Security, der mich auf dem Weg zur Toilette, der mich etwas unsanft wegrammte (ich lief dabei halt frontal auf Tokio Hotel zu,  bzw die kamen mir halt da zufällig entgegen). Die Sugababes? Waren dann doch NICHT auf der Aftershowparty. Nur deren Backingband (drei stadtbekannte Wiener Szenemenschen in wenigstens witziger Playback-Funktion).

Wickerl Adam kriegt den Lebenswerk-Amadeus. Die Hallucination Company in Ehren, aber nachdem Udo Jürgens und Joe Zawinul schon einen solchen gekriegt haben und Falco tot ist, könnte man den Preis ob der Erhaltung seines „Wertes“ getrost einsparen.

Die internationalen Preisträger (Madonna: Beste Single, Green Day: Bestes Album) finden es für ein Fuzziland wie Österreich nicht einmal Wert eine Grußbotschaft Marke „Danke für den Preis“ zu schicken. – Fazit: wozu es diese internationalen Kategorien überhaupt gibt wird nicht nur mir ein Rätsel bleiben. Die tauchen nicht einmal in der Statistik von Madonna auf.

Die Party? Heuer eher mau. Die Dekolletée-Tiefen und der sonst obligate Brust- und Bein-Exhibitionismus war heuer kaum vorhanden. Kein Schaden, aber ein Wunder. Vielleicht lag´s an der absurderweise verschärften „Wer darf rein“-Politik der IFPI (die Plattenfirmenvereinigung, die veranstaltet das ganze Spektakel). Irgendwie war aufgrund dessen auch recht schnell verdammt wenig los, im sonst vollgespickten ORF Zentrum. Deshalb erschien die Party wohl auch mau. Und deshalb blieb wohl auch viel viel lecker Do&Co-Essen übrig.

Samstag, 28. Mai 2006. Die Cselley Mühle ist 30. Und natürlich war irgendwie klar das ich dort hingehen „muß“. Hab dafür das Seewiesenfest „geopfert“, aber dafür wieder einen Funken Glauben zurückgewonnen. Die Hörspielcrew ist und bleibt ein Wunder, packt die Kids richtig an und ein, funktioniert. Eine HipHop-Band… ausgerechnet! Mir taugts. Immer noch. Und wenn ich nach den letzten Erlebnissen wieder starke Zweifel hatte, ob das „Land“-Publikum „zuhause“ im Burgenland originelles, gutes, leiwandes zu schätzen wüsste – der Samstag war wieder Anlass zu einem Funken Hoffnung. Auch sonst ein irgendwie komischer, aber netter Abend. Dass vom vollen Kellertheater zu Beginn letztlich gute 150 Leute bis zum bitteren Ende im Saal bleiben, wenn Le Charmant Rouge ihr 96er-Musiktheater in Originalbesetzung spielen, hätt ich mir nicht gedacht. Aber das war „Kunst“ im besten Sinne – und man sollte es gesehen und gehört haben. Da bleiben einige sehr starke und bewegende Eindrücke, wiewohl ich gedacht hätte, dass den meisten da drinnen Gehör, Geduld und Mut fehlen, um „durchzuhalten“. Vielleicht war´s aber auch nur das miserable Wetter draussen. You never know.

Trotzdem, der insgesamt fabulöse Besuch an diesem Jubiläumswochenende darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass rund um die Cselley Mühle vieles nicht stimmt. Vor allem die politische Situation. Die Gemeinde Oslip war so gscheit und ließ das Siedlungsgebiet Richtung Mühle erschließen – das Todesurteil für den Konzertbetrieb ebendort. Laufende Klagen und Beschwerden von wegen Lärmbelästigung und so weiter – von Leuten, die sich WISSENTLICH und erst in den letzten Jahren genau vor die Nase des Veranstaltungsbetriebes gesetzt haben. Am besten nach Schwechat ziehen und sich über die Flugzeuge aufregen.

Das riesige Haus zu erhalten ist auch ein Kunstprojekt an sich. Riesenrespekt daher an dieser Stelle für die letzten 30 Jahre an Robert, Sepp und Hans – und alle, die mit ihnen gelitten und gearbeitet haben. Ich würde gerne viel viel mehr Aktivitäten dort sehen – und zwar so gut besucht wie am letzten Wochenende. Wird ein frommer Wunsch bleiben, ebenso wie das Intaktbleiben des Wiesen-Festivalbetriebes. Weil letztlich ist die Welt halt doch eher mühsam als easy.

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