Mich hat ja schon „Die Passion Christi“ nicht wirklich begeistert, damals, im Kino. Trotzdem fand ich es interessant, dass gerade dieser Mel Gibson einen eher kritischen Weg wählte, um das Leiden von Jesus darzustellen. (Obwohl hier angemerkt werden muss, dass das Martin Scorsese mit „Die letzte Versuchung Christi“ viel besser und radikaler gemacht hat.)
Dennoch blieb dieser Zweifel, ob der Mann sich nicht einfach vergriffen hatte. Denn im Gegensatz zu Scorsese, der zwar ein bekennender Katholik ist aber nie so weit gehen würde wie Gibson, hat eben jener im Nachhinein mit (betrunkenen) Aussagen wie „Die Juden sind verantwortlich für alle Kriege dieser Welt“ nicht gerade gepunktet. Und selbst wenn dieser Ausspruch nicht stimmt, an Gerüchten ist fast immer was dran. Wenn man dann noch die dämonisierende Darstellung der Juden in seinem Film hernimmt, könnte leicht das Bild eines religiösen Fanatikers entstehen. Das nur noch dadurch gestärkt wird, dass der Mann, das zweite vatikanische Konzil völlig ablehnt und ignorierend daran vorbei leben will.

Aber gib dem Mann eine Chance, dacht ich mir. Nur stellte sich am Ende von „Apocalypto“ heraus, dass der Mann keine Chance mehr verdient. Hier die Eckdaten der Geschichte (Achtung Spoiler!):
Die ersten ca. zwanzig Minuten: Ein Stamm Maya mitten im Urwald. Ein paar Männer auf der Jagd. Der Sohn des Stammesführers hat die ganze Zeit über einen anderen Maya auf der Schaufel weil dieser offensichtlich inkontinent ist. Der Stammesführer gibt diesem Mann ein Kraut mit dem er sich vor dem Akt einreiben soll. Es stellt sich heraus, dieses Kraut juckt wie Hölle. Der Mann rennt wie wild durchs Dorf und setzt sich vor lauter Schmerz in einen Wassertrog. Großes Gelächter im ganzen Dorf weil der Mann ja sowieso ein Vollidiot ist und zu blöd um Kinder in die Welt zu setzen.
Nebenbei bringt der Stammesführer noch seinem Sohn bei, dass man keine Angst haben darf. Dann wird man überleben und gut überleben. Niemals Angst haben, egal was kommt.
Die nächste 3/4-Stunde: Ein anderer Stamm überfällt das Dorf. Ein paar werden gefangen genommen, alles andere wird dahingemetzelt. Die Gefangenen werden als Opfergabe zur Pyramide gebracht. Außerdem wird dem Stammesführer die Kehle aufgeschnitten und dieser zuckt nich einmal mit der Wimper.
Die letzte 3/4-Stunde: Der Stammesführer-Sohn konnte gerade noch seine Familie vor dem Überfall verstecken. Durch wundersame Weise und weil er so angstfrei und tapfer ist, kommt er frei und will zurück zu seiner Familie. Auf dem Weg dorthin wird er von sechs Kriegern verfolgt. Vier davon kann er ohne Waffen, nur weil er so angstfrei und tapfer ist, erledigen. Die anderen Zwei verfolgen ihn bis zum Strand, wo, oh wunder, die Engländer gerade mit ihren Schiffen kommen. Die zwei Verfolger gehen ihnen entgegen und der angstfreie Held kann seine Familie retten. ENDE

Als wertfreier Actionfilm würde das Ganze ja noch durchgehen aber Gibson selbst will dem Film Authentizität verleihen. Der Film wurde in einer modernen Form der Maya-Sprache gedreht, ansonsten nur untertitelt. Außerdem hat er sich von Spezialisten und Historikern beraten lassen.
Nur ist es dann halt blöd, wenn die Maya nur als intolerante, blutrünstige und völlig bessesene Menschen daherkommen. Nur der Held zeigt anzeichen von „zivilisiertem“ Verhalten, indem er alles tut um seine Familie zu retten. Dass ihm das aber nur gelingt weil er so super ist und sich einfach nix scheißt, kehrt das Bild dann doch wieder in eine romantische Vorstellung von „du kannst alles, wenn du es nur wirklich, wirklich willst“. Und das ist schade, denn das wäre der einzige Punkt an dem man sich orientieren könnte, doch selbst diesen windet Gibson so um seine eigene Ideologie, dass es fast schmerzt.
Außerdem interessant ist die Darstellung der Bösen. Im Stamm dem unser Held angehört, wird ja nur ein bisschen denunziert und werden Leute stigmatisiert, die nichts dafür können aber der andere Stamm ist die soziale Hölle: Menschen als Opfer für Götter, Menschen als Arbeitssklaven, Menschen als hysterische, sektenähnliche Masse, Menschen als skrupellose Anführer…
Besonders interessant hierbei ist die Darstellung der willenlosen Masse. In den Einstellungen, in denen Hunderte von diesen „Verrückten“ zu sehen sind, ist das Ganze geschlechtermäßig gut durchgemischt. Jedoch in den Einstellungen, in denen eine kleine Gruppe dieser Masse gezeigt wird, kann man sicher sein, dass wenn zB. zehn Menschen zu sehen sind, mindestens acht davon, wenn nicht alle, Frauen sind. Ansonsten spielen Frauen in diesem Film keine wichtige Rolle.

Am Anfang des Films stellt Gibson ein Zitat: „Eine große Zivilisation lässt sich nur von außen erobern, wenn sie sich von innen schon selbst zerstört hat“. Und dieses Zitat birgt alles in sich, was der Mann nicht verstanden hat. Er ist tatsächlich in der Lage einen Spielfilm zu erzählen, indem er uns die Maya näherbringen will, es aber nicht schafft und am Schluss auch noch drüberfährt, als ob er sagen will: „Eh wurscht, die sind doch völlig irre, ruhig weg damit.“
Denn mit der Ankunft der Eroberer gibt er den Startschuss für den Niedergang der Maya und will damit nichts weiter als uns, die Eroberer, nicht so blöd dastehen zu lassen. Denn he!, seht her, die Typen haben sich selbst so fertig gemacht, da können wir jetzt aber wirklich nichts dafür.

Ein technisch guter Film, der Mel Gibson als das entlarvt was er ist: Ein ideologischer Wastl, der leider den falschen Ideologien hinterherläuft.

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