Im Grunde weiß man es ja, man verdrängt es nur allzugern. Man istIdealist, man lässt sich von philosophischen Gutmensch-Ansätzen leitenund glaubt eher an die eigene, große Vision von der besseren Welt dennan das Geschreibe der Kronen Zeitung. Aber die Realität repräsentiertausgerechnet einer, der wirklich und wahrhaftig selbige mitbestimmt -als Abgeordneter eines Landesparlaments.

Schöne Gelegenheit, bei einem solchen Treffen über Ideen und Visionenzu parlieren – gleichsam natürlich naiv. Um also vorzubauen, beginntdas Gespräch noch ehe ich mich setzen kann mit dem Schlüsselsatz „Ichmöchte es gleich sagen, damit wir wissen wovon wir reden: Ich machenichts, was mir politisch nichts bringen kann.“

Aha. Eh klar, eigentlich. Aber in so schonungsloser Offenheit doch eherselten zu hören. Und weniger das Gespräch an sich, dass sich in vielenFloskeln verliert, ohne konstruktiv politisches zu behandeln (es gehtja im Grunde nur um das Flechten von Netzwerken und so…), sonderndiese Botschaft spiegelt den offenbar immer wiederkehrenden undpolitisch nicht auszurottenden Zeitgeist wider.

Es geht um Macht, es geht um Geld, es geht um Verteilung von Postenunter Freunden – und es geht um die nächsten Wahlen, bei denen estunlichst so ausgehen soll, das das Spiel von vorne beginnen kann undintensiver betrieben werden kann. Simpel und logisch, wenn man dengängigen Klischees von Politik folgt. Aber grundfalsch, wenn manbedenkt, was das eigentlich bedeutet.

Strategisch geplante Auftritte bei potentiellen Wählergruppen, das“Befriedigen von Sponsorinteressen“, quasi. Das tatsächliche Interessean den Menschen ist, wenn vorhanden, dann zumindest sekundär, es gehtum die Optik, und es geht um die Kreuzerl beim nächstenVorzugsstimmen-Wahlkampf. Sympathie wird gewählt, nicht Inhalte.

Hinterlistig gestartete Internetplattformen lüften erst nach und nachihren Schleier und gehen auf Stimmenfang. Alles nicht um der(vielleicht gar nicht so üblen) „Sache“ willen – also den Anliegen vonPensionistenverbänden oder der so genannten Jungwählerschaft – sonderneben wegen des Machterhaltungstriebes.

Wenns der Zufall und also die große Mehrheit der potentiellen Wählerwill oder fordert, dann werden mitunter vielleicht sogar langfristigsinnvolle Maßnahmen gesetzt. Ob der Politiker davon persönlichüberzeugt ist oder aufgrund seines fachlichen Wissens die Kenntnis obder Sinnhaftigkeit des Unternehmens besitzt… Nebensache. Hauptsache,die „Kassa“ stimmt und die Prozentesäule nach der nächsten Wahl istgrößer.

All das zeigt sich in einer Stunde Gespräch mehr als deutlich, und mankann es dem Herrn Abgeordneten gar nicht einmal vorwerfen. Demokratieist ein zutiefst perverses System – und er hat es schneller als vieleandere durchschaut und macht es sich zunutze. Er wird früher oderspäter „oben“ landen, wo immer das sein möge. Das erfordert Geduld undGeschick, mitunter auch Mut und Geradlinigkeit. Das bringt einem in dasgenannte politische Rad aus Macht, Geld und Einfluss – was man wiederummit Gefälligkeiten und der Weitergabe von ein bisschen Macht und einbisschen Geld erhält.

Attraktive Preise also in der Millionenshow Politik. Und dabei gehts zuallerwenigst um die tatsächliche Aufgabe – dem Gestalten und Veränderndes Landes zumWohle der Menschen. Das funktioniert nur wenn manlangfristig denkt und arbeitet, und damit geht es über die nächstenein, zwei, drei Wahlperioden hinaus – beschäftigt den Politiker alsonicht, weil es zu weit führen würde.

Kritik ist also am System an sich zu üben. Wenn Sinn und Zweck derpolitischen Arbeit vielmehr im Befriedigen von Parteiinteressen unddiversen Egos besteht, verfehlt es seine eigentlichen Zweck umHäuserlängen. Es scheint, als mache man es sich lieber in seinemWohnzimmer der Macht gemütlich und sorge für die richtige Einrichtung,als denke man tatsächlich darüber nach, wie man das Land als ganzesprosperieren lassen könnte.

Da engagiert man schon mal lieber einen PR-Berater, der die geleisteteArbeit hochjubelt und das richtige Wording findet, um sie gut dastehenzu lassen. Let there be show. Ob dem tatsächlich so ist, ist ja völligegal. Das Denken des Politikers beschränkt sich dem Klischee folgendauf das klassische „Es geht ja nur um mich, um die Partei und dienächste Wahl.“

Das ganze erinnert frappant an den herrschenden Extremkapitalismus. Wasdie Masse fordert, kriegt sie. Welcher Preis dafür zu zahlen ist, istja egal. Die Masse fordert billige Ware – also lassen wir sie doch umein Groscherl von Kindern in Bangladesch zusammenbauen, die können wirendlos ausbeuten. Die Masse fordert 160 auf den Autobahnen? Super Idee,wegen den paar Verkehrstoten brauchen wir uns ja nicht aufzuregen. UndFeinstaub, Umweltbelastung und so sind sowieso nur eine Erfindung vonden ultragrünen Fundis. Die Masse fordert einsprachige Ortstafeln?Leiwand, welcher Hahn kräht dann noch nach einem Urteil des oberstenGerichtes im Land?

Dass „die Masse“ möglicherweise über keinerlei wirklich qualifizierteMeinungsäußerung verfügt, darüber denkt niemand nach. Schon gar nichtin einem Land, wo bestimmte Medien und Mediengruppen kartellähnlicheinen massiven Teil der sogenannten Meinung „bilden“.

Es brauchte nur den Aufschrei über die Rückgabe der Klimt-Bilder, schonsind 8 Millionen Österreicher Experten für Restitutionsfragen undnatürlich sowieso für Kunst an sich. Plötzlich stürmen tausendeMenschen ins Belvedere, um ihr Kaffeehäferlmotiv am letztmöglichen Tagauch „live“ zu sehen. Tolle Leistung. Und wer hat vor dem Diebstahl derSaliera selbige tatsächlich gekannt oder gar gesehen?

Wer von den gut 70%, die meinen, die EU sei für Österreich „keine guteSache“, kann sachlich seine Meinung darlegen und dies auch tatsächlichmit sinnvollen Argumenten begründen? Wer weiß so detailliert über dieweitreichende Problematik der Pensionen oder der Krankenkassenbescheid, dass er dabei ernsthaft mitreden könnte? Wer kann abseitsirrationaler Ängste wirklich abwägen, ob die Türkei in der EU Platzfinden soll oder nicht? Wer macht sein Kreuzerl bei den Wahlentatsächlich dort, wo er es aufgrund seiner Gesinnung, seinesWerteempfindens und seines Wissens über die sachlichen Antworten aufpolitische Fragen machen sollte? Und wer macht es überhaupt? – Immerhingeht ein Viertel der Wahlberechtigten regelmäßig lieber ins WohnzimmerFernsehen als zur Urne.

In Wahrheit sind Sachthemen viel zu kompliziert für den Großteil derMenschen. In Wahrheit sind – und ich rede hier vom besten Falle – auchdie in der Öffentlichkeit stehenden Politiker nur die Sprechblasen von“Experten“ im Hintergrund. Selbst der intelligenteste Bundeskanzlerkann/könnte wohl nicht über ein Fachwissen verfügen, dass ihm dieBeantwortung aller relevanten Fragen erlaubte. Das schaffen nichteinmal Minister in ihren Ressorts, was eine Volksschullehrerin an derSpitze des Segments Bildung im Staate Österreich mehr als plakativveranschaulicht.

Wenn es aber sogar „denen da oben“ zu kompliziert ist und wäre, ihreInteressen soundso ganz woanders liegen und Freunderlwirtschaftwichtiger ist als das tatsächliche Wohlergehen des Landes – wo steuernwir da hin?

Quintessenz: Die Demokratie mag das bestmögliche System zum Regiereneines Landes sein – perfekt ist es bei Weitem nicht. Das Thema istunendlich auszuschlachten, man wird aber immer wieder an die gleicheWand anlaufen. Und mehr und mehr wird sich die Frage stellen: Sind dieMenschen ihrer Demokratie überhaupt würdig?

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