Ich komme also aus dem Urlaub zurück. Drei Wochen weit weg – mitsamt dem (durchaus gelungenen) Bemühen an Bord, nix, aber auch gar nix mitzubekommen von zuhause. Weg von durchaus vorhandenen, offenen und ungelösten Fragen. Weg von symbolischen oder physisch vorhandenen Verbindungen zu Symptomen wie Ausgebranntheit und Lustlosigkeit. Keine Ahnung wie die Fußball-WM-Auslosung ausschaut; keine Ahnung wie die letzten Konzerte der Bands verlaufen sind, was ich sonst zumeist schon tue oder „live“ mitbekomme. Weg – sogar weg von allem was mit Büro, Internet und Handy zu tun hat. Eine anfangs fast schmerzvolle, aber auf die lange Sicht wirkungsvolle Methode in Richtung Entspannung und „Volltanken“.

Nur: Auch wenn einem im Urlaub viel passiert, wie auch mir diesmal wieder („Wer eine Reise tut…“, you know…) – nach dem Heimkommen geht das Kopfschütteln bald wieder los. Man steigt also wieder zurück ins „Leben“ und also ins Internet und findet – ich scherze nicht – 60.532 ungelesene Nachrichten im vorsichtig geöffneten Webmail-Account wieder (Fortschritt – das Wissen, nicht gleich das famose Outlook zu benützen, hatte ich nach dem letzten Urlaub erworben, da verbrachte ich sprichwörtlich Tage damit, bis alle mails abgerufen waren). Und das bis 13. Dezember, denn danach hat mein mailaccount trotz guter Verträglichkeit einen Kollaps erlitten. In Wahrheit sinds wohl – ich bin trotz guter Filter und geschickt eingesetzter Software natürlich noch lange nicht fertig – so um die 300-500 Nachrichten, die ich wirklich „verpasst“ habe, die wichtigsten abonnierten Newsletter inklusive. Immer noch eine Menge, aber die Differenz ist doch gehörig. Den Unterschied macht das magische SPAM (in Zusammenwirken mit dem leider unablässlichen OutOfOffice-Reply meinerseits).

Und damit schwenke ich die Geschichte auf eine ganz andere Ebene. Spam nämlich ist für mich nur eines von viel zu vielen Indizien, die für die Machtlosigkeit des mehr oder minder normalen, vernünftigen, „braven“ Bürgers gegenüber des vorherrschenden Weltsystems stehen: dem mehr und mehr überbordenden Kapitalismus. Der Splitter vom Nagel der kleinen Zehe von King Kong, den er bei der Pediküre 15km weit weg fliegen sieht.

Im „Kapitalismus“ – das steckt in seinem Wortsinn – gehts ums Geld. Immer und überall. Wir mögen unsere Kreuzchen regelmäßig auf Stimmzetteln machen, um „Demokratie“ zu spielen; das vorherrschende Regierungs- und Wertesystem funktioniert aber nach der von Frank Stronach so genannten „Goldenen Regel“: „Ich habe das Gold, ich mache die Regeln“.

Natürlich, nix neues. Aber der Wahnsinn ist, dass sich das von ganz oben bis ganz unten zieht. Ich habe schon oft und viel darüber nachgedacht, aber bewusst geworden ist mir das so richtig wieder einmal ausgerechnet am Platz meiner Urlaubswahl. Dort nämlich wurde die Geschichte dank „Entdeckung“, folgendem Völkermord, Kolonialisierung und Sklaverei in allen Blutfarben geschrieben. Das war wohl „wirklich“ schlimm – und in gewisser Weise natürlich getrieben vom Gedanken an Geld, Gier und Macht.

Und damit sind wir wieder in der Jetztzeit – nur ist ja alles gar nicht so und in Wirklichkeit alles super. Die sogenannte „Kommunikation“ machts möglich: Werbung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit sagen uns schon, das alles leiwand ist und hätte vor ein paar hundert Jahren wahrscheinlich sogar den Sklaven eingeredet, dass sie priviligiert sind und der Staat doch ohnehin alles tut, damit es ihnen gut geht. Die Wirtschaftslage sei eben schlecht und ihre Mitarbeit am Gesamtprojekt von immenser Wichtigkeit. Wenn sie nur durchhalten und 18 Stunden statt 16 arbeiteen würden, dafür aber statt einer halben nur eine viertelte Tagesration zu essen bekämen, dann gehe es bestimmt bald wieder bergauf und es uns allen besser. Schließlich wollen das ja alle.

Heute werden aus drastischen sozialen Einschnitten in der Politik plötzlich „nachhaltig positive Reformen“. So werden aus 3000 „aufgrund der kritischen Wirtschaftslage unablässliche“ Kündigungen in einem Großkonzern „notwendige Rationalisierungen“ und „Kurskorrekturen“, damit hernach ein Rekordgewinn in vielen fetten Dividenden auf die Konten der Aktionäre fliessen. Da wird aus einem blanken Völkerrechtsverstoß schnell ein „Kampf gegen den Terrorismus“, da wird aus den einst bekämpften Kommunisten der „wichtigste Wirtschaftspartner mit hohem Entwicklungspotential und Zukunftschancen“.

Und das alles macht jeder letztendlich nur für sich. Nehmen wir mal einen italienischen Staats- und Fußballpräsidenten aus, der sich nicht einmal zu blöde dafür ist, keinen Hehl daraus zu machen. Die meisten verbergen hinter ihren Masken, ihren Gesetzen und ihren Aussagen ihr unsägliches Arschkriechen zum Wohlfallen großer Konzerne. Sie profitieren, weil sie, ihre Familien oder ihre „Freunde“ ebendort fett im Geschäft sind; sie profitieren, weil sie im Gegenzug die Puppe mit der Aufschrift „Macht“ länger halten dürfen – gestützt durch Geld aus der Kasse, die sie mit ihrem Handeln gefüllt haben.

Weil das alles so vorbildhaft funktioniert, geht das bis nach ganz unten. Die Franzosen – perfekte Kapitalisten und in dieser Hinsicht vorbildliche Europäer – verlangen für alles, sogar fürs Scheißen Geld. Kein Witz: Geh dort auf die öffentliche Toilette und zahle 50 Cent oder sogar 1 Euro. Die Franzosen waren ja auch diejenigen, die als erste auf die glorreiche Idee gekommen sind, ihr Quasi-Leitungswasser teuer in Flaschen zu verkaufen (der Trend zu Mineralwasser „ohne“ hat uns ja längst erreicht). Und falls jemand größere Beispiele braucht: Air France hat vor zirka zwei Jahren die niederländische KLM gekauft, um seither 3.500 Mitarbeiter „abzubauen“. Das haben sie so super hingekriegt, dass heuer satte 74 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet wurden. Das wären umgerechnet mehr als 20.000 Euro pro Jahr für jeden dieser gekündigten Mitarbeiter.

Aber keine Sorge, das wird hier kein Pamphlet gegen die Franzosen, aber sie sind mir gerade als Beispiel ganz recht. Die schlimmsten Kapitalisten sind sie sicher nicht, und verallgemeinern, sprich verglobalisieren darf man sowieso nix. Schon gar nicht den Welthandel – nur weil die 500 größten Konzerne der Welt rund 70% des Welthandels beherrschen? Nur weil 4% der Menschen rund 70% des Weltkapitals „steuern“? Iwo!

Was hat King Kong, übrigens kein Franzose, damit zu tun? Der arme Gorilla im Nebel ist einer jener Hollywoodfilme, die so gigantisch vermarktet werden, wie das Monster selbst im Film auftaucht. Mindestens. Vom Crossovermarketing-X-Box-Feature bis zum McDonalds-Burger. Noch schlimmer ist in dieser Hinsicht nur noch „Narnia“. Aber was ist das schon. Irgendwann wird die Technologie es ermöglichen, Werbeeinschaltungen in unsere Träume zu schleusen. Und Kondome projizieren, wenn sie platzen, einen Werbefilm für Babyzubehör auf das so eben unabsichtlich befleckte Leintuch und erleichtern somit die nachhaltige Veränderung des geplanten Lebenslaufes.

Das Thema ist vermutlich abendfüllender und spannender als alle Hollywoodfilme des Jahres 2005 zusammen. Und es bringt einen zum Kotzen. Wie Spam-Mails.

Und, ja, Skofield, „Funeral“ ist das Album des Jahres. Überall, und zurecht.
Merke: It´s for your own good, it´s for the neighborhood.

Links