In Island kann man eine Menge lernen. Die Insel wächst jedes Jahr um ein paar Zentimeter, ist der herausragende Spitz des den Atlantik durchquerenden „Mittelatlantischen Rückens“. Sie „lebt“, hat unzählige aktive Vulkane sowie natürlich die dazugehörigen Erdbeben. Und sie hat von den heißen Quellen bis zum riesigen Gletscher alles zu bieten, was die Erde so „drauf“ hat. Island ist Erdgeschichte zum Anfassen.
Fakten, na gut. Aber man lernt mit ihnen, wie unbedeutend, klein, mickrig der Mensch an sich ist. Welch Fingerschnipp die Menschheit für den Planeten Erde und das Universum eigentlich bloß ist. Vergänglich wie ein Augenzwinkern, ein Räuspern.
Man lernt Begriffe wie „Ruhe“ neu zu definieren. Oder solche wie „Frieden“, „Weite“ und „Sicht“. Es ist ein wenig wie ein riesiges Spielzeug-Eldorado, durch das man – geschrumpft auf die richtige Größe – wandert. Wie ein Eisenbahnmodell ohne Eisenbahn (sowas gibts in Island nämlich nicht). Was ist schon eine von Menschenhand erbaute Stadt gegen diese unendlichen Fels-, Vulkan-, Lava-, Gesteins-, Wasser-, Sand- und Mooswüsten?
Es gibt Schafe, die aber nicht so recht aussehen wie Schafe in Mitteleuropa. Es gibt Pferde, die aber nicht so recht aussehen wie
Pferde in Mitteleuropa (Islandpferde, eben). Es gibt Berge, die aber
nicht so recht aussehen wie in Mitteleuropa. Und all das lässt einen
ein wenig fühlen wie auf einem fremden Planeten. Dabei ist man hier mehr auf der Erde als irgendwo sonst.
Und trifft man dann doch Menschen (gut 300.000 – so viele wie im Burgenland – leben in Island, verteilen sich aber auf eine Fläche
etwas größer als Österreich), dann lächelt man und schüttelt
innerlich ungläubig den Kopf. Ein Volk von Bauern, dass stolz darauf ist, ein Volk von Bauern zu sein. Und nicht nur das: die Bauern sind auch noch belesen, gebildet, um nicht zu sagen: intellektuell.
Während hierzulande DJ Ötzi ein Held ist, sind es dort Björk oder Sigúr Ros. Oder einer der hunderten Schriftsteller, der wohl traditionsreichste und ehrenvollste Beruf in Island – neben Bauer, versteht sich. Und zwar nicht für eine Elite in der Hauptstadt, sondern für „das gemeine Volk“. Erstaunlich, beeindruckend – auch für eine Kolonie von insgesamt 113 Österreichern, die Island mittlerweile zu ihrer neuen Heimat gemacht haben (berichtet uns zumindest ein österreichischer Kellner, in dessen Lokal wir in Laugarvatn zufällig landen).
Das Adäquat zu Radio Burgenland ist hier natürlich ein Nationalsender (R1, R2). Abgesehen von einer Call-In-Sendung, der man, obwohl man kein Wort versteht, Gehalt und Niveau anmerkt, läuft hier Musik, der man das auch nicht absprechen kann. Keine Plastikpopware aus weiland Amerika, gerade noch ein bisschen Mika begleitet die Autofahrt rund um das Eiland. Kein Formatwahnsinn mit dem ewig gleichen Schrott. Dafür viel heimische Musik, tatsächlich „mehr Musik und mehr Abwechslung“, vom Folksong über isländischen Metal bis zu elfengleichen Stimmen verpackt in eine Singer-Songwriter-Komposition. Alles in allem angenehme Begleitmusik, selten nervend, meistens spannend.
Hierzulande hieß es einmal, Österreich sei eine Insel der Seligen. Wer immer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat, er hat Island wohl noch nicht gesehen.